Leos erste Schlittenfahrt

Leo ist wach. Mama und Papa scheinen noch zu schlafen. Dabei ist es doch schon fast hell draußen.

Leo klettert auf den Hocker, der an seinem Erkerfenster steht. Von dort kann er die vorbeifahrenden Straßenbahnen genau beobachten. Manchmal, wenn seine Fenster geöffnet sind, kann er das Quietschen der Schienen bis hoch in sein Zimmer hören.

Heute ist alles anders. Heute ist alles viel leiser draußen, viel heller. 1000 kleine Schneeflocken tanzen durch die Luft, federleicht. Sie taumeln langsam und ganz sacht zu Boden.

Die Straße bekommt eine weiße Decke und die Straßenbahn ein strahlend weißes Dach. Der Schnee tänzelt und legt sich auf Haare und Hüte, auf Bäume und Sträucher und Zweige, überall….

Leos Welt hat sich in Zuckerwatte gehüllt. Leo kennt Schnee nur aus Geschichten.

Als er ganz klein war, gab es schon mal einen strengen Winter mit viel Schnee. Das haben Mama und Papa ihm erzählt, aber er kann sich nicht mehr daran erinnern.

Und als Opa und Oma noch kleine Kinder waren, gab es jedes Jahr klirrende Kälte und Schneemassen. So sagen sie es jedenfalls.

Und das habe mit dem Klimawandel zu tun, dass immer seltener Schnee fällt. Leo versteht nicht so ganz, was sie damit meinen, aber sie werden es wohl wissen.

Inzwischen sind auch die Langschläfer-Eltern wach geworden.

Mama hat sich ganz leise wie eine Flocke in Leos Zimmer geschlichen. Und schaut sich mit ihm den Wintertraum an.

„Heute kommt endlich mein alter Kinderschlitten zum Einsatz“, sagt Papa. „Nach dem Frühstück ziehen wir los.“

Der alte Schlitten hat sich tief unten im Keller hinter vielen Kisten und Schachteln versteckt. Spinnweben haben sich auf ihm breit gemacht. Die Kufen sind schäbig  braun vor lauter Rost.

Ja, der Schlitten hat zu viele Jahre im Keller überwintert. Heute hat er endlich wieder einen großen Einsatz. Nachdem er von Spinnen und Rost befreit ist, darf der Schlitten wieder seinen geliebten Schnee berühren.

Die Bürgersteige sind dick eingepudert. Aber die ersten Eifrigen sind schon mit Schaufel und Besen im Einsatz, um den Schnee aus dem Weg zu räumen.

Leo sitzt dick eingepackt auf dem Schlitten. Seine Kapuze bedeckt einen Großteil seines Gesichts. Aber seine leuchtenden Augen sind nicht zu übersehen.

Papa spielt Pferdchen. Leo ist der Kutscher. Beide haben einen Riesenspaß. „Schneller Pferdchen, schneller.“

Sie machen sich auf den Weg zum nahegelegenen Park.

Dort ist schon richtig was los. Ein Elternpaar baut mit seinen beiden Kindern einen mannshohen Schneemann. Als Nase nutzen sie – wie kann es anders sein – eine orange leuchtende Möhre.

Eine Gruppe Jugendlicher macht eine Schneeballschlacht mit viel Gebrüll.

Kleinere Kinder wälzen sich im Schnee. Sie scheinen ihn noch nie gespürt, gerochen oder gefühlt zu haben. Und einige wollen auch wissen, wie er schmeckt.

Auf der Hundewiese ist der Bär los. Viele Vierbeiner rennen über die Schneefläche, versuchen dann ganz schnell zu bremsen. Was nicht immer gelingt. Sie schlittern auf allen Vieren, bis sie endlich zum Stehen kommen.

Inzwischen haben Leo und Papa ihr Ziel erreicht, einen Hügel im Park.

„Das ist ein Trümmerberg“, sagt Papa.

„Was ist ein Trümmerberg?“ will Leo wissen.

 „Vor vielen Jahren gab es einen grausamen Krieg. Dabei wurden auch in Köln viele Häuser, Kirchen und Brücken zerstört.

 Der Schutt von den kaputten Gebäuden wurde zum Teil in die Parks gebracht. Dort war Platz für all die Trümmer. Später hat man brauchbare Steine wieder rausgesucht und damit neue Häuser gebaut.

 Hier der kleine Berg wurde mit Rasen und Büschen verschönert. Eine tolle Idee. Ansonsten hätten wir jetzt keinen Rodelhügel.“

Leo möchte sich am liebsten von seinem Pferdchen auf den Berg hochziehen lassen. Aber nach kurzer Zeit streikt Papa.

Leo steigt ab und stapft an Papas Hand den Hügel hinauf. Dabei müssen Sie ganz schön aufpassen. Von oben flitzen die Schlitten schon an ihnen vorbei. Schnell wie der Wind!

Endlich sind auch Leo und Papa auf dem Hügel angekommen. Leo ist froh, dass Papa sich hinter ihn setzt. Der Berg sieht von oben ganz schön gefährlich aus.

Bei der ersten Abfahrt drückt sich Leo noch ganz fest an seinen Vater.

Doch als sie heil unten angekommen sind, hat ihn das Rodelfieber gepackt.

 „Nochmal, nochmal“, jauchzt er und wünscht sich, dass der Schnee noch lange liegen bleibt.

 

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2022/24

 

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